Mahntafel zur Bücherverbrennung

Mahntafel zur Bücherverbrennung - am Bebelplatz in Berlin-Mitte

Text: Peter Edel, deutsch-jüdischer Schriftsteller (1921-1983)

Die Tafel ist rechts vom Eingang der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität am Bebelplatz 2 befestigt und erinnert an das nationalsozialistisch gesteuerte öffentliche Verbrennen von Büchern am 10. Mai 1933 auf diesem Platz, der damals Opernplatz hieß. An der Aktion waren in großer Zahl Studierende wie auch Hochschullehrer der Berliner Universität beteiligt, organisiert vom Deutschen Studentenverband (DSt).
Am 10. Mai 1947 wurde an diesem Platz “Der Tag des freien Buches” mit gesamtdeutscher Beteiligung aus den verschiedenen Besatzungszonen offiziell ausgerufen und danach von der DDR dort jährlich bis 1990 feierlich begangen.
Eine Mahntafel mit direkten Bezug zur Bücherverbrennung wurde erst Anfang der 80er Jahre am Alten Palais rechts neben der heutigen Juristischen Fakultät angebracht. Dies geht auf die Initiative von Heinz Knobloch zurück.

Zur Geschichte der Mahntafel

"Parkplatz der Gedankenlosigkeit" (H. Knobloch)

Heinz Knobloch hatte bereits 1976 bei einer Ehrenveranstaltung für Bibliothekare ganz in der Nähe auf das Fehlen einer “mahnenden Gedenktafel” hingewiesen. 1979 schrieb er dann in seinem bekannten Buch “=>Herr Moses in Berlin – Ein Menschenfreund in Berlin” dazu Folgendes: “Wenn (von der Bücherverbrennung) wenigstens eine Tafel sprechen würde auf diesem Parkplatz der Gedankenlosigkeit…” (1. Aufl. 1979, Buchverlag Der Morgen Berlin, S. 418). Indirekt drohte er sogar mit der Ausschreibung einer Subskription für eine solche Tafel an diesem Platz. Anlässlich einer Lesung zum Erscheinen des Buches im damaligen Palast der Republik am Schloßplatz wurden von ihm offizielle Stellen auf diesen Mangel aufmerksam gemacht, worüber er erst viele Jahre später seine Leser aufklärte.
Tatsächlich ist “die (…) angeregte Tafel Anfang September 1980 auf dem Bebelplatz angebracht worden” wie Knobloch schon in der Nachbemerkung zur 3. Auflage seines Buches meldete (S. 447). Das wurde auch im Neuen Deutschland (ND) am 11.9.1980 berichtet. (Der 2. Sonntag im September wurde als „Tag der Opfer des Faschismus“ begangen.)
Der Bebelplatz wurde auch regelmäßig für einen Büchermarkt in Anwesenheit von DDR-Schriftstellern genutzt. Zum 50. Jahrestag der Bücherverbrennung 1983 fanden an mehreren Tagen Veranstaltungen und Lesungen statt. 1987 schließlich gab es vor der Kulisse der Juristischen Fakultät eine Internationaler Schriftsteller-Lesung „mit Autoren aus 23 Ländern“, worüber ganzseitig berichtet wurde. Die o.g. Gedenktafel ist im ND vom 9./10.5.87, S. 3 mit abgebildet.
In den letzten Jahren der DDR wurde der Bildhauer Siegfried Krepp mit den Entwurf zur Errichtung einer Skulptur auf dem Bebelplatz beauftragt, um die mahnende Erinnerung an die Bücherverbrennung optisch wirksamer zur Geltung zu bringen, wie es offiziell hieß. Der Magistrat von Berlin fasste dazu im Mai 1989 den formalen Beschluss zur Schaffung des Mahnmals. Darin war die Enthüllung planmäßig für das IV. Quartal 1990 vorgesehen. Dazu kam es vor der Vereinigung Deutschlands nicht mehr.

Neue Form des Gedenkens an die Bücherverbrennung

"Versunkene Bibliothek" von Micha Ullmann mit Blick zur Mahntafel

Anfang der 90er Jahre wurde die ursprüngliche Mahntafel am Bebelplatz zeitweise abgehängt, da sie gemäß einer Erklärung des damaligen Bausenators von Berlin “dem Anlaß nicht mehr gerecht“ würde. Zum 60. Jahrestag der Bücherverbrennung 1993 wurden die Unterlagen zum Wettbewerb für ein neues Mahnmal ausgegeben. 1994/95 wurde der ausgewählte Entwurf des israelischen Bildhauers Micha Ullmann in der Mitte des Platzes, die „Versunkene Bibliothek“ dann ausgeführt. Unter einer Glasplatte sind in der Tiefe leere Regale zu erkennen, die Platz genug für die ca. 20000 Bücher bieten würden, wenn sie nicht auf diesem Platz verbrannt worden wären: Eine Leerstelle zu unserer Erinnerung und Mahnung. Am 20.3.1995 wurde das Denkmal offiziell von den zuständigen Senatoren für Bau und Kultur der Öffentlichkeit übergeben. In das Pflaster des Platzes sind in einigem Abstand drei gleichlautende Tafeln eingelassen, die kurze Angaben zum Anlass und zur Schaffung des Denkmals machen sowie das bekannte Zitat Heines wiedergegeben: “Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.” Bei der mit der Übergabe des Denkmals verbundenen Ausstellung im Foyer der Juristischen Fakultät hielt Heinz Knobloch eine Rede (veröffentlicht im ND vom 10.5.1995 und in => Mißtraut den Grünanlagen 1996, S.130-132). Die Tafel am Alten Palais wurde mit dem Datum 12. Mai 1983 ergänzt, vermutlich, um ihre Herkunft aus der DDR-Zeit eindeutiger zu markieren. Wie hatte sich Heinz Knobloch zum Sinn der Mahntafel geäußert: »Sie muß aber so beschaffen sein, daß keine Kränze niedergelegt, sondern Gedanken davon getragen werden können.« Und zum heute noch auf der Tafel befindlichen Text hielt er fest: “Ihr Text stammt von dem verstorbenen Peter Edel, einem Schriftsteller jüdischer Herkunft. Er überlebte Auschwitz. Wer, wenn nicht er, hatte das Recht, uns zu mahnen…” (a.a.O. S. 132). 2006/07 wanderte die Mahntafel im Zuge der Wiedererrichtung einer Pergola am Alten Palais hinüber zum Haupteingang der Juristischen Fakultät am Bebelplatz 2. (Ursprünglich war dies die Königliche Bibliothek, wegen ihrer barocken Form auch heute noch “Kommode” genannt.)
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Hinweise für Besucher:

Die unterirdische “Bibliothek” von Micha Ullmann in der Mitte des Bebelplatzes ist nach Einbruch der Dunkelheit von innen beleuchtet, so dass die leeren Regale für die imaginäre Sammlung der ca. 20 000 verbrannten Bücher sichtbar werden. Bei Tageslicht ist die “Bibliothek” jedoch nur schwer erkennbar. Neben den üblichen Lichtreflexen ist die ebenerdige Glasplatte aufgrund ihrer Betretbarkeit schnell verschmutzt und wird milchig, weswegen sie regelmäßig erneuert werden muss. Die Durchsichtigkeit kann man vorübergehend erhöhen, indem man klares Wasser auf die Glasplatte gießt, was bei Stadtführungen auch so praktiziert wird.

Neben der Gedenktafel an der Juristischen Fakultät ist durch die Glasfenster ein kleiner Raum zu erkennen, in dem sich ein Regal mit Büchern der verbotenen Autoren befindet, deren Bücher 1933 verbrannt wurden. Der Raum ist vom Foyer des Gebäudes aus montags bis freitags öffentlich zugänglich und wird an seiner Eingangstür als “Ein Ort zum Lesen” bezeichnet.
(Stand: Juni 2023)
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Zum Jahrestag der Bücherverbrennung fanden und finden auf dem Bebelplatz auch weiterhin Lesungen und andere Aktionen, getragen von unterschiedlichen Initiativen, statt. Heinz Knobloch nahm nachweislich noch 1995 teil.
Zum 90. Jahrestag am 10. Mai 2023 fanden zwei größere Gedenkveranstaltungen auf dem Bebelplatz statt, weitere auch an verschiedenen Orten in der Stadt. leider ohne jede Koordiantion. Im Foyer der Juristischen Fakultät wurde eine Gedenkausstellung der Historischen Kommission der Studentenschaft der Humboldt-Universität zum 80. Gedenktag im Jahr 2013 unter der Bezeichung “Wiedervorlage” erneut präsentiert. Sie ist seit dem in diesem Jahr ebenfalls wieder veranstalteten Berliner Bücherfest auf dem Bebelplatz noch bis Anfang August wochentags öffentlich zugänglich.

Hervorzuheben ist, dass die zwischenzeitliche Nutzung des Platzes für überwiegend kommerzielle Veranstaltungen ohne Bezug zur Bedeutung dieses Ortes inzwischen kaum mehr genehmigt wird.